Besprechung in den Badischen Neuesten Nachrichten zu "Ladies Night", 10. September 2007
Heitere Abendunterhaltung mit robustem Witz
Jakobus Theater Karlsruhe zeigt das als Film "Ganz oder gar nicht" bekannt
gewordene Stück "Ladies Night"
Die
Titelzeile des Randy-Newman-Songs "You Can Leave Your Hat On" ist nichts
anderes als die indirekte Aufforderung alles außer dem Hut auszuziehen. Der
Song, vor allem in den Versionen der Stimmband-Erotiker Joe Cocker und Tom
Jones, dürfte schon viele Strip-Einlagen untermalt haben - am Premierenabend
von "Ladies Night" im Jakobustheater stand er am Beginn und am Ende eines
vergnüglichen Theaterabends, der hielt, was der Song verspricht. Am Schluss
hatten die fünf Darsteller nämlich wirklich nicht mehr an als den Hut,
allerdings nicht auf dem Kopf.
"Ganz
oder gar nicht" heißt die weltweit erfolgreiche Filmbearbeitung eines
Theaterstückes des neuseeländischen Autorenduos Stephen Sinclair und Anthony
McCarten, das schon zehn Jahre vor dem 1998 gedrehten Film entstanden ist und
bereits die meisten Zutaten enthält, die den Film so erfolgreich machten: eine
gute Geschichte, sympathische, in der sozialen Wirklichkeit geerdete Figuren,
britisch geprägten Humor und das gewisse prickelnde Etwas, das freilich Frauen
mehr anziehen dürfte als Männer. Es war aber ein gemischtes Publikum, das beim
Premierenabend für die mutige Leistung der fünf auftretenden Herren langen
herzlichen Beifall spendete. Der hie und da laut werdenden Aufforderung
"Ausziehen, ausziehen" konnten die Akteure allerdings nicht mehr
nachkommen - sie hatten schon alles gegeben.
Am
Anfang ist die Bühne von blanken Stellwänden verstellt und ebenso verstellt und
aussichtslos scheint auch die Zukunft der Freunde Greg und Barry. Sie sind
arbeitslos und jetzt wirft man sie auch noch aus ihrer Stammkneipe heraus, weil
die Frauen bei einem Stripabend mit den Chippendales unter sich sein wollen.
Das erfährt man wie vieles gewissermaßen aus der "Mauerschau", denn das
Stück in der Inszenierung des Debütanten Philipp Koblmiller konzentriert sich
ganz auf seine fünf Helden. Ihre Lebenswelt und ihr Umfeld gewinnen Konturen
durch ihre Dialoge - Stückbearbeitung ebenfalls Philipp Koblmiller - und durch
das von Friederike Lange gestaltete Bühnenbild. Die Stellwände verwandeln sich
je nach Bedarf in das Wartezimmer eines Arbeitsamts, in Gregs karges
Wohnzimmer, dessen größter Schmuck ein Poster von Manchester United ist, in das
Hinterzimmer einer Kneipe mit der unvermeidlichen Dartscheibe an der Wand. Hier
probt das Quintett: der forsche Greg, der an der Scheidung von seiner Frau zu
knabbern hat, der dicke Barry, in dessen Ehe gerade nichts mehr geht, das
lebensmüde Muttersöhnchen Norman und der gut situierte Graham, der seiner Frau
die Arbeitslosigkeit zu verbergen versucht, ihren Stripper-Auftritt, der ihnen
Geld bringen und andere Perspektiven eröffnen soll. Der kecke und - wie sich
bald herausstellt - schwule Gavin, der auch Normans Coming Out herbeiführt,
stößt noch dazu, ist aber tänzerisch ebenso minderbegabt wie die anderen.
Die
Ungeschicklichkeiten der Möchtegern-Tänzer, der unkoordinierte Bewegungsablauf
und die ersten linkischen Versuche, sich tanzend der Kleidungsstücke zu
entledigen, sind für ein paar Lacher gut. Aber nichts deutet hin auf den
finalen fulminanten Auftritt der Truppe (Choreografie Hélène Verry) hin, in dem
auch die unübersehbaren schauspielerischen Unebenheiten des Laien-Ensembles
überspielt werden. Koblmiller tat gut daran, die stärksten Charaktere, nämlich
Greg und Graham, mit Peter Grünewald und Thomas Winkler zu besetzen, die ihren
Mitspielern Torsten Süverkrüp, Matthias Schulz und René Bauer in Sachen
mimischer Begabung ein ganzes Stück voraus sind.
Der
Witz des Stückes ist so robust, dass er auch diese Diskrepanz aushält und
Courage haben sie allemal, die fünf Herren, die sich da auf die Bühne trauen
und bis auf einen wohlbehüteten Rest alles offenbaren. Das Ergebnis ist
liebenswerte, heiter stimmende Abendunterhaltung - nicht nur für Damen.
Peter
Kohl